Das Sofa im vierten Stock

Oktober 2017 kurz nach dem Nordderby zwischen Hamburg und Bremen – wir hatten einen wunderschönen Samstag mit gemeinsamem Grillen und Fußball. Es war das letzte Mal, dass ich meinen Freund Frankie lebend gesehen habe. Kurze Zeit später fand ich ihn tot in seinem Bett.

Er war schon lange herzkrank, aber wollte sich auf keinen Fall operieren lassen. Vor einigen Monaten hatte er ein Gespräch mit meiner Bestatterkollegin über eine Vorsorge. Er wollte sich mal informieren für den Fall der Fälle.

Wir wohnten im gleichen Haus. Er im vierten Stock und ich im dritten. Manchmal machte er sich einen Spaß und schickte mir per Schnur kleine Pakete von seinem Balkon auf meinen.
Wenn ich krank war, brachte er mir eine Obstplatte runter, dabei war immer frische Mango. Er wusste, dass ich diese so sehr liebte. Seine Platten waren sowieso berühmt. Zum Grillen kam er immer mit den tollsten Gemüseplatten. Keiner konnte das so dekorativ anrichten wie er.

Leuchttafel, auf der steht "Frankie Forever".
Foto: Carmen Mayer

Bei niemand saß ich so viele Stunden auf dem Sofa wie bei Frankie. Da gab es immer einen Platz für mich, in guten wie in schlechten Zeiten. Morgens, mittags, abends. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man nur eine Treppe gehen muss und schon bei seinem Lieblingsmenschen auf dem Sofa sitzt. Er hatte eine ganze Sammlung von kleinen, bunten Zetteln von mir aufgehängt, auf denen ich ihm Nachrichten schrieb und vor die Tür legte. Dabei waren auch viele Postkarten mit „Lieblingsmensch“.
Manchmal entdecke ich beim Einkaufen wieder eine neue Karte mit „Lieblingsmensch“ und während ich schon danach greifen will, wird mir wieder bewusst, dass der Lieblingsmensch nicht mehr da ist.

Jedes Jahr kurz nach Weihnachten treffe ich seine Schwester. Dann machen wir einen Frankie-Erinnerungsnachmittag. Wenn er das sehen könnte, würde er die Augen rollen, den Kopf schütteln und sagen: „Geht’s noch! Erde an Sonne!“ Überhaupt, er konnte so stur sein. Wenn er „nein“, sagte, dann war das „nein“. Da gab es kein Rütteln und kein Schütteln. Auch zur Herz-OP.

Bei Frankies Schwester auf dem Sofa fühle ich mich dem Sofa aus dem vierten Stock ganz nahe. Beim Abschied nimmt mich seine Schwester in den Arm und sagt mit ein paar Tränen in den Augen, aber auch mit einem Lächeln: „Carmen, jetzt habe ich Dich geerbt.“