Trauernde erwachsene Geschwister

Oft vergessen und unsichtbar – trauernde erwachsene Geschwister

Als Jans Schwester Britt im Alter von 19 Jahren durch einen Autounfall am Potsdamer Platz starb, war Jan 22 Jahre alt. „Ich wurde meistens als erstes gefragt, wie es denn meinen Eltern ginge“, erinnert sich Jan heute. „Dass jemand fragt, wie es mir geht, das gab es kaum.“

Schattenbild einer Person auf Kopfsteinpflaster.
Foto: Carmen Mayer

Gerade Geschwister werden oft in ihrer Trauer nicht wahrgenommen. Sie werden übersehen, vergessen, sind unsichtbar und ihre Trauer nicht anerkannt. Erschwerend kommt für erwachsene trauernde Geschwister eine weit verbreitete dubiose Annahme hinzu: Oft wird davon ausgegangen, dass erwachsene Geschwister, weil sie ja erwachsen wären, kein Zuhause mehr teilten und eventuell weniger Kontakt hätten, nicht mehr so stark vom Tod des Bruders oder der Schwester betroffen wären. Vergessen wird dabei aber, dass die Beziehung zwischen Geschwistern eigentlich die längste andauernde Beziehung im Leben ist.

Jan fand damals Unterstützung in einer Gruppe mit anderen erwachsenen Geschwistern. „Das war ein Ort, an dem ich über all meine Gefühle sprechen konnte. Da waren Menschen, die teilten das gleiche Schicksal wie ich. Das gab mir Orientierung und Halt.“

Heute begleitet Jan selbst seit vielen Jahren eine Gruppe für erwachsene trauernde Geschwister und bietet darüber hinaus mit einer Kollegin, die ebenfalls eine Schwester verlor, einmal im Jahr einen viertägigen Workshop für trauernde erwachsene Geschwister an. Die Gruppe der trauernden erwachsenen Geschwister trifft sich einmal im Monat. „Momentan sind wir so fünf bis acht Geschwister im Alter zwischen 20 und 40. Eine Anmeldung vorher ist nicht nötig. Es gibt Raum für alles, was trauernde Geschwister beschäftigt“, erzählt Jan.

Regelmäßig wird in der Gruppe eine Frage diskutiert: Wie antworte ich, wenn ich nach Geschwistern gefragt werde. „Es gibt unterschiedliche Taktiken mit der Frage umzugehen“, berichtet Jan. „Manche, die im Moment nicht darüber reden wollen, sagen kurz ,ja und Du?‘ und damit lenken sie das Gespräch bewusst woanders hin. Aber die wenigsten verleugnen ihre Geschwister.“ Und wie geht es ihm selbst mit dieser Frage? Die Antwort habe sich bei ihm entwickelt, sagt Jan. „Am Anfang habe ich versucht sie zu umschiffen, und habe manchmal nur kurz und knapp mit, ja, eine Schwester‘ geantwortet. Mittlerweile bin ich so, dass ich sage, ich habe eine Schwester, die ist aber tot.“

Dieses Jahr werden es zehn Jahre sein, dass Jan ohne seine Schwester Britt lebt.