Ein Stück Kuchen vor dem Sterben

Montagmorgen im Sport. An der Wand hängt ein Plakat mit „Bauch-weg“-Werbung. Da kommt eine Bekannte um die Ecke und sagt zu mir und dem Plakat: „Ich verzichte schon auf vieles, aber mal ein oder zwei Kilo hin oder her, das ist mir egal. Ich genieße auch gerne. Das tut gut!“ Ich nicke zustimmend und meine ganz trocken zu ihr, dass ich auf keinen Fall sterben möchte, bevor ich nicht noch ein dickes Stück Kuchen gegessen habe. Sie schaute mich kurz irritiert an, muss dann aber herzhaft lachen.

Ein Stück Schwarzwälderkirschtorte auf einem Teller.
Foto: Carmen Mayer

Dann erzähle ich ihr weiter, dass mein Vater kurz vor seinem Tod, es war ein Freitagvormittag vor vielen Jahren, in der Küche saß, Zeitung las und kurz vor dem Mittagessen noch ein dickes Stück Kuchen aß. Das hatte er sich aus der Stadt vom Bäcker mitgebracht. Er liebte Kuchen, vor allem die Schwarzwälder-Kirschtorte. Nachdem er seinen Kuchen fertig gegessen hatte, ging er nach oben ins Badezimmer. Dort kippte er um und war tot. „Abgetreten mitten im Leben“ stand hinterher auf seiner Todesanzeige, das war immer sein Wunsch und seine Formulierung. Es hat geklappt. Für uns war sehr tröstlich, dass so sein letzter Wunsch in Erfüllung gegangen ist und vor allem auch, dass er vor seiner letzten Reise noch ein dickes Stück Kuchen gegessen hatte, er, der so eine Leidenschaft für Kuchen hatte.

Die Kuchenleidenschaft teile ich mit meinem Vater. Wenn ich heute ein dickes Stück Kuchen esse, dann denke ich oft an ihn und schicke ihm einen Kuchengruß in den Himmel.

Während des Sports mussten wir beide noch lange lachen.